Von Buenos Aires in den Schönberg: Schönberger Geige bringt Familie Hasenclever zur Musik
Im Gemeindesaal im Schönberg treten zwei hochkarätige argentinische Musiker auf. Die Geschichte dieses Konzerts beginnt aber schon in den 1970er Jahren. Und zwar in der Himmelfahrtskirche.
Christina war sechs Jahre alt, als sie wieder einmal ihre drei Monate langen Sommerferien im Winter bei ihren Großeltern im Schönberg verbrachte. Hier war es so viel ruhiger als in ihrer Heimatstadt Buenos Aires, hier ging sie gerne in den Kindergarten, spielte mit Nachbarkindern im Schnee, ging einkaufen im kleinen Laden, den es damals im Stadtteil noch gab, oder machte es sich im Keller gemütlich und aß dort Schokolade und Brausepulver, denn: Ihr Großvater besaß eine Süßwarenfabrik in Bad Cannstatt. Es war ein Paradies für das kleine Mädchen, deren Eltern – sie stammten aus Stuttgart und Genf – in den 1960er Jahren nach Argentinien ausgewandert waren.
Eines Tages nahm sie ihre Tante Ingeborg mit zu einem Konzert in die benachbarte Himmelfahrtskirche. Auf dem Programm stand auch ein Stück von Johann Sebastian Bach für Violine. Als die Musiker dieses Stück spielten, war es um die kleine Christina geschehen: Sie hatte sich in dieses Instrument verliebt. Wenig später bekam sie vom Großvater eine Geige geschenkt und übte fortan und wurde eine gute Geigerin. Dennoch entschloss sie sich, statt Musik zunächst Sprachen zu studieren und arbeitete als Dolmetscherin, sprach sie doch perfekt Spanisch, Französisch und Deutsch. Erst später, mit 28 Jahren, starte sie ihre Laufbahn als professionelle Geigerin, spielte im Rundfunkorchester, in verschiedenen Kammermusikensembles und gab Musikunterricht.
Im Hause Hasenclever wurde immer musiziert, und die Liebe für Musik auch den drei Söhnen in die Wiege gelegt. Christian wurde ein sehr guter Pianist, studierte aber Betriebswirtschaftslehre und arbeitet heute als Pilot. Alexander ist ein begnadeter Gitarrist und ist als Wirtschaftsingenieur bei einem Agrartechnikunternehmen tätig. Eric begann mit vier Jahren Klavier zu spielen, wechselte mit sechs Jahren dann aber zur Violine. Sein musikalisches Talent erkannte auch der Konzertmeister der Londoner Philharmoniker, der zu Besuch in Buenos Aires war; er lud ihn regelmäßig zu Übungswochen nach London ein und verschaffte ihm einen Platz im Landesjugendsymphonieorchester Hessen. Seit 2020 studiert er an der Universität der Künste in Berlin. Für sein Können wurde Eric bereits vielfach ausgezeichnet, z. B. mit den 1. Preis des Internationalen SESC-Musikfestivals in Pelotas, Brasilien, und beim Musikfestival in Santa Catarina, Brasilien. Er ist zudem Stipendiat der Paul-Hindemith-Gesellschaft.
Für den Konzertabend beim Bürgerverein Schönberg e. V. hat er sich mit dem ebenfalls aus Argentinien stammenden Pianisten Horacio Lavandera zusammengetan. Dieser gewann im Alter von 16 Jahren als jüngster Teilnehmer den Internationalen Klavierwettbewerb in der Mailänder Scala beherrscht ein umfangreiches Repertoire von Barock- bis zu zeitgenössischer Musik. Regelmäßig erhält er Einladungen zu Auftritten als Solist mit namhaften Orchestern und zu Klavierabenden in Amerika, Europa und Asien. Für ihr Programm am 19. Oktober 2023 hatten die beiden Musiker virtuose Stücke von Johann Sebastian Bach, Clara Schumann, Johannes Brahms und Richard Wagner sowie des argentinischen Komponisten Astor Piazzolla ausgewählt. Das Publikum war begeistert und zollte den Duo mit lang anhaltendem Applaus Respekt und Dank.
Für Christina war es ein ganz besonderes Erlebnis, ihren Sohn in dem Gebäude spielen zu sehen und zu hören, in dem sie selbst vor Jahren ihre Liebe zur Musik entdeckt hatte: „Für mich sind der Schönberg und die Himmelfahrtskirche ein Stück Heimat, verbinde ich doch so viele Erinnerungen an schöne Zeiten mit meinen Großeltern und mit Tante Ingeborg.“ Und Tante Ingeborg hat sich an diesem Abend auch sehr gefreut, denn für sie war es auch ein Familientreffen mit ihrer Nichte und ihren beiden Großneffen. „Mein Sohn Christian kam zum Konzert extra aus Spanien angeflogen“, berichtet Christina. „Leider konnte meine Mutter, die Zwillingsschwester von Tante Ingeborg, nicht aus Argentinien mit anreisen.“ Vielleicht beim nächsten Mal, denn das Konzert kam bei den Schönbergern so gut an, dass eigentlich eine Wiederholung angesagt ist.
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